Feiern in Krisenzeiten

SWR2 Kultur Aktuell - Podcast tekijän mukaan SWR

Israel feiert das 75. Jubiläum seiner Unabhängigkeit. Der israelische Historiker Tom Segev sieht derzeit allerdings nur wenig Grund zum Feiern. Der jüngste Rechtsruck und die weitreichende Justizreform der Regierung Netanyahu bereiten ihm Sorgen. Die aktuelle Lage ist „wirklich sehr schlimm“ Seit Wochen gehen Teile der israelischen Bevölkerung zu Hunderttausenden auf die Straßen, um gegen die geplante Justizreform der Regierung Netanyahu zu demonstrieren. Segev zeigt Verständnis für die Protestierenden, spricht von einer „neuen Phase in der Geschichte Israels“: „Die Demokratie selber droht im Moment nicht überleben zu können.“ Er werde oft gefragt, was Israel von deutscher Seite – angesichts der Geschichte – gesagt werden dürfe und was nicht. Segev schlägt eine einfache Faustformel vor: „Verlangen Sie schon Israel nur das, was sie auch von sich selber verlangen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ Zum 75. Jubiläum der Staatsgründung überwiegt beim Historiker der Pessimismus: Zwar biete die momentane Unruhe auch die Chance auf einen Neuanfang – die Frage sei aber, so Segev: „Was fangen wir an? Wenn wir neu anfangen, eine theokratische, undemokratische Gesellschaft, dann ist das vielleicht auch möglich.“ Wenn Woche für Woche 200.000 Menschen in Israel auf die Straße gingen, aus Angst um die Demokratie, „dann ist das bestimmt ein Zeichen, dass irgendetwas falsch gelaufen ist bei uns.“

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